Wen unterstützen wir u. a. mit Kollekten in Gottesdiensten im Februar und März? In einem früheren Beitrag stellten wir bereits den FÖRDERVEREIN FÜR KREBSKRANKE KINDER E.V. KÖLN vor. In den ersten Tagen des neuen Jahres hatte ich die Gelegenheit, von Marlene Merhar, der Vorsitzenden des Vereins, im persönlichen Gespräch mehr über sie und den Verein zu erfahren.
Liebe Marlene, welche Situation habt ihr 1989 bei der Erkrankung deines Sohnes in der Uniklinik Köln vorgefunden?
Merhar: Zu dieser Frage könnte ich Romane erzählen. Schriftlich dargelegt hat das damals eine andere Mutter, die etwas später als wir in Köln mit ihrem Sohn in die Kölner Onkologie kam und genauso entsetzt war wie wir. So wie Angelika Schmitz ist es uns und vielen Eltern damals ergangen:
Auszug aus dem Bericht von Angelika Schmitz – Erinnerungen an 1991
November 1991 – Diagnose Hirntumor bei meinem vierjährigen Sohn Feliciano! Nach drei Tagen im heimischen Krankenhaus und der Aussage: „Wir können ihm hier nicht helfen, er muss in eine Uni-Klinik“, Fahrt mit dem kranken Kinde zur Uniklinik Köln … „Das kann ich doch nicht ertragen“ – noch nicht ahnend, was Menschen alles ertragen können! Vorstellungen von klinisch sterilen Arztzimmern, weißen Kitteln, glänzenden OP-Bestecken, langen, leeren Fluren mit kleinen Zimmern, in denen kranke Kinder aus den Betten schauen – welche Illusionen …
Ankunft vor dem Klinikgebäude – grauer Kasten der Vorkriegszeit, vor dem Eingang Trauben von hastig an Zigaretten ziehenden Frauen mit schlaflosen Blicken. Fahrt mit einem altersschwachen Lift vor eine geschlossene Stationstür. Es wird geklingelt. Die Tür öffnet sich … Eintritt in eine Welt, die nicht mit irgendeinem Erlebnis meines Lebens zu vergleichen ist: Erster Blick fällt auf eine winzige Spielecke mit Resten von Spielzeug, in der sich lautstark fremde Wesen tummeln – kahlköpfige ausgemergelte Gestalten mit blauen Lippen … Innerhalb kurzer Zeit erscheinen weitere Familien zur Einweisung, die mit uns erstarrt auf den kleinen Stühlen warten. Erste Gesprächsfetzen „Was fehlt ihrem Kind?“ Leukämie … Neuroblastom … Diagnosen, wie sie schlimmer nicht sein könnten. Irgendwann – viel später – Einweisung auf die Zimmer. Welch ein Unterschied zu den Gedanken im Krankenwagen! Vier Betten verteilen sich auf wenige Quadratmeter. Blutige Tupfer liegen auf einem kleinen Nachttisch. In einem Bett liegt ein Kind fast totengleich und schläft, in der anderen Ecke läuft lautstark ein Fernseher mit der neuesten Turtle-Sendung. Um die Füße kreist ein ferngesteuertes Auto. Um das vierte Bett schart sich eine türkische Großfamilie und scherzt mit den kleinen Patienten. Wie kann man hier lachen?Stunden später … erste Worte mit einer weiteren betroffenen Mutter, mit der man sich die acht Quadratmeter im Schwesternheim teilen wird, denn alles ist überbelegt. Wie kann man in der Situation mit einem wildfremden Menschen so dicht beieinander wohnen? Wo soll ich weinen? Nachdenken? Vor mich hinstarren – wenn mir danach ist? In der ersten Nacht bleiben wir zunächst in Klappbetten auf der Station – von den netten Schwestern geduldet, denn eigentlich bleibt ja auch kein Zentimeter für die Nachtschwestern. So wird dies für Monate zum eigentlichen Lebensraum … langsam entsteht so etwas wie Alltag – völlig abgeschottet von der übrigen Welt … Nur wenn Besuch auftaucht wird einem noch mal klar, wo man sich befindet. „Das kann doch keine deutsche Krankenstation sein – so habe ich mir eine Station in Russland vorgestellt!“ Zwischen Schocks und wieder Abtauchen ins Stationsleben entsteht so etwas wie Normalität. Es wird gelacht – mit Ärzten, Schwestern, Müttern und den Kindern sowieso. Sie sind soo tapfer – eigentlich sind sie es, die uns den Alltag erst möglich machen. Ich habe noch nie so starke Menschen gesehen, wie die Kinder auf der Onkologie. Und gerade deshalb fragt man sich in ruhigen Minuten: Wie kann es sein, dass es solche Bedingungen gibt, und das in einem der reichsten Länder der Erde? Sind diese Stationen vergessen, diese Kinder und Eltern? Gibt es keine Organisationen, Vereine, Spendengeber?…
Wie kam es zu deiner Entscheidung, dich für den Förderverein zu engagieren?
Merhar: Meine Suche nach Menschen, mit denen ich mich austauschen konnte, hat mich dazu bewogen. Außerdem musste ich irgendetwas tun, um diese wohl schlimmste Situation meines Lebens zu ertragen.
Hat dein Glauben dir geholfen?
Merhar: Als mein Kind krank wurde, habe ich eine Kirche besucht. Dabei hatte ich jedoch nicht die Idee, dass unser Schicksal mit Gott verhandelbar sei, indem ich etwas Besonderes dafür tue. Vielmehr gab mir das Gebet die Kraft durchzustehen, was wir erlebten.
Wer kann sich auf der Suche nach Hilfe an den Förderverein wenden?
Merhar: Alle Eltern, die ein krebskrankes Kind haben, welches in der Uniklinik Köln behandelt wird. Kliniken und Pflegeeinrichtungen stehen in der Pandemie vor großen Problemen.
Wie ist das in eurem „Elternhaus“?
Merhar: Corona macht vor krebskranken Kindern mit geschwächtem Immunsystem nicht Halt. Der Schutz unserer kleinen Patienten hat oberste Priorität. Dank unserer Maßnahmen gab es bei uns bisher noch keinen Infektionsfall. Wir tun alles, was getan werden kann, damit das auch so bleibt.
Welche Projekte plant der Verein für die Zukunft?
Merhar: Zunächst einmal versuchen wir in dieser aktuell verrückten und nie für uns gelebten Zeit, für die Familien da zu sein und ihnen ein „Zuhause auf Zeit“ zu ermöglichen. Zukünftig wird unser Augenmerk verstärkt auf Kinder/Jugendlichen liegen, die ihre Krebserkrankung überlebt haben, das sind heute rund 80%. Ein Jugendlicher, der eine Krebserkrankung überlebt hat, hat oftmals Probleme im schulischen oder Studienbereich, in der Berufsausbildung, in der Partnerwahl usw.
Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, wie war das für dich?
Merhar: Diese Frage hat mir vor kurzem ein Journalist einer Kölner Zeitung auch gestellt. Zunächst einmal war ich total überrascht, an so etwas hatte ich noch nie gedacht. Dann habe ich mich natürlich sehr gefreut über diese Anerkennung meiner Arbeit.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Merhar: Das Problem bei der therapeutischen Versorgung krebskranker Kinder ist, dass einige Erkrankungen nur im Kindesalter auftreten, dass es daher keine breite Forschungsbasis für die Entwicklung von Medikamenten und Therapieansätzen gibt. Es fehlt hier der merkantile Anreiz für die Pharmaindustrie. Zum Beispiel wurde die Forschung zum Neuroblastom vom Verein in den ersten fünf Jahren mit einer halben Million Euro unterstützt, bevor die Uniklinik sich der weiteren Entwicklung annahm. Allen, die unseren Verein unterstützen, sage ich herzlichen Dank. Auch die kleinste Spende zählt und kommt da an, wo sie zum Wohl der kranken Kinder Verwendung findet und dringend gebraucht wird. Ich wünsche mir, dass die Forschung im Kinderkrebsbereich so weit kommt, dass kein Kind mehr an Krebs sterben muss.
Liebe Marlene, herzlichen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Im Namen der Evangelischen Martin-Luther-Gemeinde Rheindahlen darf ich dir alles Gute für dich persönlich und für den Förderverein wünschen.
Die Fragen stellte Ulrike Zimmermann
Wenn Sie die Aufgaben und Ziele des Fördervereins mit einer Spende unterstützen, jedoch nicht zu den Gottesdiensten kommen können oder möchten, dann nutzen Sie gerne folgende Bankverbindung: Sparkasse KölnBonn, IBAN DE30 3705 0198 0008 4826 22
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