Liebe Gemeinde!
„Wer nicht hören will, der muss fühlen.“ Das sagt man gerne, wenn Worte nichts mehr nutzen. Denn manche Menschen hören schlecht, obwohl er/sie akustisch alles verstanden haben. Dies erlebe ich gerne mal im Unterricht. Doch es gibt Situation, da hört man wirklich schlecht, z.B. wenn viele Leute durcheinander reden, dann versteht man den Einzelnen sehr schlecht. Oder auch, wenn es einen lauten Knall gegeben hat, dann man eine zeitlang das Gefühl schlechter zu hören. Das kann auch passieren, wenn die Musik mal zu laut war, z.B. nach Konzerten.
Aber neben dem temporären „Schlecht hören“ gibt es natürlich auch das kontinuierliche Schlecht hören. Eine Situation die Menschen kennenlernen, wenn sie der älter werden. Bei vielen nutz dann ein Hörgerät. Und sie können auf wundersame bzw. technische Weise wieder verstehen, was das Gegenüber sagt und meint. Sie sind wieder mit dabei. Klar, es wäre auch wunderschön, wenn das Gehör ohne die Technik wieder voll funktionsfähig wäre. Aber man sollte sich auch darüber freuen, dass es die Technik gibt, denn selbst die kann dem ein oder anderen Menschen nicht helfen. Da sagt man dann gerne: „Da hilft nur noch ein Wunder!“ Bei manchen hilft nur noch ein Wunder, da selbst die beste und modernste Technik nicht helfen kann. Dann rennen viele – auch heute – gerne zu einem Wunderdoktor. Vielleicht dachten die Freunde, die einen tauben und stummen Mann zu Jesus brachten auch, Jesus wäre ein Wunderdoktor.
Liebe Gemeinde!
Das Markusevangelium erzählt von Jesus:
„Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte. Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war, und baten ihn, dass er die Hand auf ihn lege. Und er nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf! Und sogleich taten sich seine Ohren auf und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, sie sollten’s niemandem sagen. Je mehr er’s aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.“
Liebe Gemeinde!
Soweit die Erzählung aus dem Markusevangelium.
Man könnte sie auch prima zusammenfassen mit den Worten: „Wer nicht hören will, der kann fühlen.“ Aber der kranke Mann ist nicht nur taub sondern auch stumm. Er bekommt nicht vollkommen mit, was die anderen sagen. Und er selbst kann nur mit Gesten den anderen mitteilen, was er möchte. Aber er macht sich so seine Gedanken.
Gedanken des Taubstummen:
Was die anderen da wohl machen. Ich kann mir oft denken, was bei meinen Freunden los ist, aber dieses Mal?! Sie reden durcheinander, so schnell kann ich gar nicht allen auf den Mund schauen. Sie gestikulieren wild um sich. Und sie zeigen immer wieder in die eine Richtung. Ich tippe meinem Bruder auf die Schulter und schaue ihn fragend an. Seine Lippen formen einen Namen: Jesus. Welcher Jesus, der kleine Junge vom Bäcker nebenan? Und dann formen seine Lippen noch ein andres Wort: Wunder. Nein, er kann nicht den Kleinen meinen. Was ist bloss los? Ich mal ein Fragezeichen in die Luft, doch da neben sie schon meine hand und ziehen mich mit. Das bin ich ja gewohnt, dass andere mich dirigieren wollen. Die einen bringen mich dahin, die anderen dorthin. Die einen bringen mir dies, die anderen das und ich kann höchstens mit dem Kopf nicken oder schütteln. Wir sind schon eine Weile unterwegs und sie diskutieren noch immer. „Blödsinn!“ kann ich von den Lippen lesen und „eine Chance“! „Wunder“ und wieder „Jesus“. Der Typ scheint aus Nazareth zu kommen, weil das Wort auch immer fällt. Plötzlich bleiben wir stehen vor einer Gruppe mit Männern und ein paar Frauen sind auch dabei. Ein Mann in der Mitte fällt mir auf, er hört ruhig zu. Meine Begleiter reden mit ihm und zeigen andauern mit ihren Fingern auf mich. Mein bester Freund macht gerade eine Segensgeste. Soll der Fremde mich segnen? Warum? Und wer ist das überhaupt? Er schaut mich so intensiv an. Jetzt kommt er auf mich zu und zieht mich beiseite – weg von seinen Leuten und weg von meinen Begleitern. Sie schauen uns neugierig hinterher. Und er geht mit mir weiter. Was hat er vor? Plötzlich bleibt er stehen udns chaut mich wieder an und dann….. Was macht er mit mir? Er legt mir die Finger in die Ohren. Ich habe saubere Ohren! Ohh. Was ist das für ein Druck! Und was macht er jetzt mit mir? Er berührt meine Zunge mit seinem Speichel. Eine Geste, die meine Mutter immer machte, wenn ich hinfiel….. sie steckte den Finger in den Mund und wischte mit ihren Speichel über meine Wunde. Und als ich mir letztens in den Finger schnitt, da habe ich auch meinen Finger in den Mund gesteckt, da tat es nicht mehr so weh. Ich habe mir quasi meine Wunden geleckt? Himmel, was geschieht hier?! Der Fremde schaut zum Himmel. Am Heben und Senken seines Brustkorbes sehe, dass er seufzt. Und in meinen Ohren rauscht es………Ich kann es nicht glauben… es knackt und ich höre etwas ein Wort: ata…. Nein, er sagt was anderes: fata! Nein, er sagt: „Hefata! Tu dich auf!“ „Ich höre!“ sage ich. „Ich rede!“, sage ich. „Ich bin gesund! Ich kann dich verstehen, sag bitte noch mal was… bitte!“ Was sagt er? Meine Ohren scheinen noch nicht zu funktionieren: ich soll nichts sagen?! Aber ich kann doch endlich reden! Ach, so ich soll den anderen nichts sagen,…..!…. Nichts davon sagen, dass ich gesund bin? Soll ich etwas weiter, den Tauben und Stummen spielen? Das kann ich nicht, ich muss reden, ich muss es meinen Freunden und meiner Familie sagen! Ich will es erzählen? Warum soll ich nicht? Ich vertehe es nicht! Aber die anderen werden es schon erzählen, wenn ich reden und hören kann. Das ist ein Wunder, das man nicht verstecken kann.
Liebe Gemeinde!
Ja, das ist ein Wunder, das man nicht verstecken kann. Auch wenn sie den entscheidenden Moment der Heilung nicht gesehen haben, so sind sie überrascht, erfreut und wollen auch erzählen von diesem Wunder!
Die Menschen im Gebiet der Zehn Städte, wo sich das Wunder ereignet, können das, was dort geschehen ist, nicht für sich behalten. Jesus hat ihnen zwar verboten, darüber zu reden, aber die Menschen sind viel zu erschrocken und zu aufgeregt, um sich um das Verbot zu kümmern. Was sie von dem Wunder erzählen, fasst der Evangelist Markus im letzten Satz der Erzählung zusammen: „Er hat alles wohl gemacht,“ sagen die Menschen demnach; „die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.“ Das ist nicht einfach eine Kurzfassung der vorangegangenen Geschichte. Das ist ein Zitat aus der Bibel, aus dem Buch Jesaja. Die Bewohner der Zehn Städte sind Heiden. Woher sie das Buch Jesaja kennen, verrät uns der Evangelist nicht. Das muss er auch nicht, denn hier geht es nicht mehr um die Personen innerhalb der Geschichte. Mit seinem letzten Satz wendet sich der Erzähler an uns Hörerinnen und Hörer. Wir sind zwar ebenfalls Heiden, jedenfalls die meisten von uns, nämlich keine Juden. Aber das Buch Jesaja steht auch in unserer christlichen Bibel, und wir können die Stelle, die Markus zitiert, darin nachlesen. Genau das sollen wir tun, möchte der Evangelist. Dann merken wir, dass in seiner Erzählung auch von uns die Rede ist. Nicht das Wunder ist darin die Hauptsache. Markus erzählt, wer Jesus wirklich ist und was er für uns bedeutet. Das zeigt sich vor allem im letzten Satz, dem Jesaja-Zitat: „Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.“ Werfen wir daher einen Blick in das Buch des Propheten Jesaja. Der Prophet schildert, was das Volk Israel von Gott zu erwarten hat, wenn er es aus der Gefangenschaft befreit. Dann werden ganz viele Wunder geschehen, schreibt Jesaja. Nicht nur die Tauben und Stummen macht Gott gesund, auch die Blinden und die Lahmen – alle Kranken. Die Wüste wird fruchtbar. Reißende Tiere wird es dort nicht mehr geben. Schmerz und Seufzen sind zu Ende. Diese ganze Aufzählung steckt dahinter, wenn uns der Evangelist Markus von Jesus sagt: „Er hat alles wohl gemacht.“ Denn in Jesus Christus ist der Gott Israels zu uns gekommen und auch zu unserem Gott geworden. Auch wir können uns freuen, wie viel wir von ihm zu erwarten haben. Die ganze Welt wird neu. Gute Kommunikation beginnt damit, dass ich zunächst still werde und bereit bin zuzuhören. Gott sagt auch zu mir und zu dir: „Hefata! Tu dich auf!“ wir können und dürfen, das Wort Gottes hören – aus der Stille heraus.
Man muss hören: nicht weghören, sondern hinhören. Und Zuhören. Auch Zuhören reicht noch nicht, sondern Gehorchen ist entscheidend. Das heißt: Gott im Alltag ernst nehmen und wenn wir verstanden haben, dann können und dürfen mit Gott sprechen.. in der Stille und im lauten Jubel. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Fürbitten
Gott, im Gebet vertrauen wir dir an, was und wer uns besonders wichtig ist. Wir beten für alle Menschen, die nicht mehr erkennen und begreifen können, wie du diese zerrissene Welt heilen wirst: Sei bei ihnen in ihrer Glaubensnot und heile ihre Zweifel. Wir beten für alle Menschen, die selber zerrissen werden in Kampf und Terror dieser Welt: Tröste sie in ihrem Schmerz und in ihrem Leid und lass sie deine Nähe spüren. Wir beten für alle Menschen, die schweres Leid zu tragen haben an ihrem Körper oder an ihrer Seele: Wende dich ihnen zu; gib ihnen Zeichen deiner Nähe. Wir beten auch für alle Menschen, die dich und deinen Namen missbrauchen, Gott, wenn sie unter dem Deckmantel von Religion eigene Interessen verfolgen: Lass sie ihr Gewissen spüren, bis sie es ehrlich meinen mit dir und sich selbst. In einem Augenblick der Stille sagen wir Gott die Namen der Menschen, die seine Nähe in der neuen Woche besonders nötig haben.